Landschaft und Flächenwirkung
Alfred Lehmanns zentrales Thema – neben den Existenzbildern – ist die
Landschaft. Dabei basieren die Lehmannschen Bildkonzepte meist auf einem
harmonischen Zusammenspiel zwischen Nähe und Ferne: Von den Gegenständen im
Vordergrund – seien es Häuser, Pflanzen oder Felsen – wandert der Blick weiter
zu entfernten Hügelketten, zum Himmel oder zum Meer.
1946 entsteht Lehmanns erstes Waldbild – und markiert den Beginn einer ganz
anderen Form der Landschaftsdarstellung: Der Wald ist zwar freie Natur, wirkt
aber dennoch wie ein in sich geschlossener Raum. Das Bildensemble setzt sich
aus wenigen Komponenten zusammen: Stämme, Äste, Laubwerk, Boden. Dabei gliedern
die Baumstämme die Bilder in vertikaler Richtung. Das Blattwerk und die Äste
setzen horizontale Akzente. Wege, kleine Lichtungen oder andere schräg liegende
Elemente schaffen diagonale Verbindungslinien.
Die räumliche Wirkung der Waldbilder ist (schon aufgrund des meist fehlenden
Horizonts) stark begrenzt. So leben diese Werke vor allem von der Gestaltung
der Fläche. Ein deutliches Indiz für das wachsende Interesse Alfred Lehmans am
elementar Malerischen – an der zweidimensionalen Komposition von Farben und
Formen.
Lehmanns Waldbilder mit ihren vertikalen und horizontalen Strukturen muten an
wie Gewebe. Die variantenreiche Farbigkeit der Vegetation – ergänzt durch
Flecken blauen Himmels – vermittelt den Eindruck von Bewegung. Hält sich
Lehmann bei den frühen Variationen des Themas Wald, etwa beim "Kleinen Waldbild
– Bopserwald" von 1947, farblich eher noch zurück (Grün- und Brauntöne
überwiegen), sind die Waldbilder der späten Jahre wesentlich von Lehmanns
Mittelmeererfahrung und seiner zunehmenden Lust auf Abstraktion geprägt.
Lehmann nutzt nicht mehr nur die klassischen Naturfarben, sondern schöpft aus
dem Vollen der Farbpalette. Entsprechend ändert sich die Atmosphäre – von
feierlich, erhaben, fast sakral hin zu emotional-expressiv. Der "finstere
deutsche Wald" romantischer Provenienz verwandelt sich – Titeln wie "Dunkler
Wald" zum Trotz – in ein lebendiges Spiel der Farben.